Psychopharmaka - 6 Dinge, die Sie vielleicht noch nicht wussten

  1. Was sind Psychopharmaka?
    Psychopharmaka sind Medikamente, die den das Gehirn (den Hirnstoffwechsel) beeinflussen, mit dem Ziel, Ihr Leiden zu reduzieren.

    In Ihrem Gehirn gibt es Milliarden von Nervenzellen, die mit winzigen elektrischen Impulsen Informationen austauschen. An den Verbindungsstellen (den Synapsen) der Nervenzellen beeinflussen sogenannte Botenstoffe die Übertragung.
    Das ist ein sehr komplizierter Mechanismus.

    Die Wissenschaft hat herausgefunden, dass bestimmte Botenstoffe (z.B. Serotonin) mit der Depression in Zusammenhang stehen.

    Da es aber nicht "die eine Depression" gibt, sondern jede Depression etwas anders ist, gibt es auch nicht "das eine Medikament" gibt, das "immer" hilft. Es gibt immer nur eine gewisse "Wahrscheinlichkeit" (unter 100%), dass das erste Mittel Ihnen helfen kann.

    Psychopharmaka werden immer von Ärzten verschrieben. Das kann auch Ihr Hausarzt sein. Überlegen Sie aber trotzdem, ob Sie nicht lieber zu einem Spezialisten - einem Psychiater - gehen, der Sie vielleicht gründlicher untersuchen und informieren kann. Und bleiben sie auch dort kritisch. Fragen Sie genau nach - auch wegen der Nebenwirkungen (siehe unten).
  2. Verzögerte Wirkung
    Psychopharmaka wirken sehr langsam auf das Gehirn. Es kann einige Wochen dauern, bis ein Medikament seine volle - und im besten Fall erwünschte - Wirkung entfaltet. Bis dahin kann es einige unangenehme Wirkungen geben (auch Nebenwirkungen, siehe unten). Sie brauchen also Zeit und Geduld.

    Noch deutlicher und schwer wiegender zeigt sich dieser Effekt beim Absetzen von Psychopharmaka.

    Stoppen sie NIE abrupt die Einnahme eines Medikaments, das Ihr Gehirn beeinflusst, sonst können sich extrem unerwünschte, gar lebensgefährliche,  Effekte einstellen. Ein Psychopharmakum (das ist der Singular von Psychopharmaka) MUSS IMMER langsam "ausgeschlichen" werden. Sie nehmen dabei über Wochen langsam immer weniger und immer seltener das Medikament ein.

    Diese Tatsache wird oft verwechselt mit

  3. Sucht / Abhängigkeit
    Es wird unter Fachleuten gestritten, ob Psychopharmaka "süchtig" machen. Der Grund ist, dass sich der Körper, genauer, das Gehirn, an das Medikament  gewöhnt und bei plötzlichem Entzug sehr heftig reagiert. Wie bei einer Droge.

    Und der Vergleich mit Drogen wird tatsächlich zum Überprüfen der Frage genutzt: Alle Mittel, die Sie auf dem Drogenmarkt finden (zu welchem Preis auch immer) sind Suchtstoffe. Und je teurer, desto größer das Suchtpotential.

    Im Vergleich zu Drogen benötigt der Körper aber von Psychopharmaka keine immer größere Menge des Mittels, um "was zu merken".

    Lassen Sie sich also gründlich und kritisch von Ihrem Arzt beraten.
  4. Schokolade & Co. und andere Naturheilmittel
    Entgegen landläufiger Meinung, reicht es bei einer Depression nicht, sich zusammen zu reißen und Schokolade zu essen. Zwar ist es lecker oder fühlt ich sich auch erstmal gut an, Schokolade zu essen. Das war's dann aber auch. Und Schokolade hat ja auch Nebenwirkungen (Körpergewicht, Diabetes)

    Depression ist eine ernstzunehmende Krankheit. Schokolade und Disziplin reichen nicht.

    Auch wird gern Johanniskraut empfohlen, weil es so natürlich ist. Das ist, extrem gesagt, Fingerhut und Fliegenpilz (Giftig!!!) aber auch. Ausserdem ist die Dosis des Johanniskrauts extrem unkontrolliert. Und - es bleibt dabei - auch hier gilt Punkt 2.

    Ganz Schlaue wollen Serotonin einnehmen. Tun Sie's nicht. Serotonin geht nicht direkt in's Gehirn (nicht über die Blut-Hirn-Schranke) und richtet im Körper ganz andere Dinge an, als Sie eigentlich wollen.

    Noch Schlauere haben gehört, dass Tryptophan im Gehirn zu Serotonin umgewandelt wird. Super, gut aufgepasst! Tryptophan steckt in Bananen, Cashewkernen und vielen anderen Nahrungsmitteln. Aber leider, gilt auch hier: Unkontrollierte Dosis, träge Wirkung.

  5. Nebenwirkungen
    Jedes Medikament hat auch Nebenwirkungen. Fragen - löchern - Sie Ihren Arzt oder Apotheker, lesen Sie mindestens die Packungsbeilage, bevor Sie das Medikament nehmen.

  6. Motivation - Warum eigentlich überhaupt Medikamente?
    Dazu lassen Sie sich auch gut von Ihrem (Fach-)Arzt beraten.

    Sie wollen etwas "machen"? Sie wollen "schnell wieder leistungsfähig" werden? Sie "dürfen nicht krank sein"?

    Medikamente können zur Unterstützung der Therapie einer Depression sinnvoll sein. Sie können eine Psychotherapie unterstützen. Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) wurde millionenfach erfolgreich bei der Behandlung von Depressionen eingesetzt.

    So oder so brauchen Sie aber Zeit und Geduld mit sich selbst. Der Weg in die Depression war oft lang. Der Weg daraus geht schneller, wenn Sie gut unterstützt mitarbeiten. Aber rechnen Sie mit Wochen oder Monaten.

    In der Zwischenzeit akzeptieren Sie Ihre Depression.

    Der Pegel der Botenstoffe im Gehirn lässt sich auch durch unterschiedliche Aktivitäten zum Guten verändern. Dabei hilft die KVT.

    Es wird wieder -  und immer öfter - lichtvolle Tage geben.